Im Rückwärtssalto von Brücken und Felsen in natürliche Gewässer stürzen. Die Furcht überwinden, an der eigenen Technik feilen und nebenbei an entlegensten Stellen die pure Kraft und Ursprünglichkeit der Natur erleben. Gibt’s nicht? Doch in der Schweiz! Die zwei jungen Basler Philipp Spale und Thomas Hägler haben den Strand- und Klippenführer »Pied à la lune» herausgebracht, der all diese Spots übersichtlich und liebevoll vorstellt.
INTERVIEW Josephine Sowah
WIE KAMT IHR ZUM TOLLKÜHNEN HOBBY KLIPPENSPRINGEN?
Phil: Seit meiner Kindheit bin ich immer gerne draußen aktiv gewesen: Auf Bäume klettern, Räuber und Polizei spielen oder eben »ins Wasser gumpen«. So richtig angefressen vom Klippenspringen wurde ich aber erst während meines Studiums in der Südschweiz. Zu schön sind dort die Wasserbecken, um nicht reinzuspringen.
Tom: Wir fuhren schon als Kinder mit den Eltern an die Verzasca im Tessin. Dieser zerklüftete Bergbach mit seinen unzähligen Felsen lud einfach zum Klippenspringen ein. Aber ich war nie der tollkühne Springer – da sah ich lieber anderen zu. Die Motivation für dieses Buch war für mich, neue tolle Orte in der Natur zu entdecken.
WENN MAN DURCH EUER BUCH BLÄTTERT, SCHEINT ES
VON EINSAMEN BUCHTEN UND ABENTEUERLICHEN KLIPPEN IN DER SCHWEIZ NUR SO ZU WIMMELN. WIE KOMMT IHR AN DIE SPOTS?
Zum größten Teil haben wir alles auf eigene Faust »erforscht«. Mögliche Spots haben wir auf Landkarten, Google Maps und Google Bilder gesichtet und sind diese dann abgefahren und abgewandert. Die Schweiz ist ja nicht so groß. Manchmal haben wir auch Tipps von Freunden oder anderen Klippenspringern erhalten.

SCHON BEREUT, DIE ZUGÄNGE VERRATEN ZU HABEN?
Nein. Die Spots werden glücklicherweise nicht überrannt. Ab und zu treffen wir bei Spots auf Leute, die mit dem Buch unterwegs sind. Meistens sprechen wir diese dann an und es entstehen lustige Gespräche. Außerdem sind nicht alle diese Orte einfach zugänglich – eine große Masse werden sie (glücklicherweise) wohl nie anziehen.
WIE GEHT IHR AN DIE SACHE RAN, WENN IHR EINEN NEUEN SPOT ENTDECKT UND IHN KLARMACHEN WOLLT?
Am einfachsten ist es, wenn Einheimische schon gesprungen sind und diese nach dem Sprung wieder heil aus dem Wasser steigen. Falls niemand da ist, werden die Wassertiefe, die Wassertemperatur und die Klippenhöhe gemessen sowie die Strömung beobachtet. Danach kann entschieden werden. Ein Restrisiko bleibt jedoch immer bestehen.
WIE IST DARAUS DIE IDEE ZUM BUCH ENTSTANDEN?
Die Idee, das Wissen über schöne Badeplätze und Springmöglichkeiten niederzuschreiben, kam auf einer der vielen Touren durch das Tessin. Die Spots am Wasser sind dort einmalig schön und sehr zahlreich. Einen Reiseführer darüber zu schreiben, klang irgendwie abenteuerlich.

SPRINGT IHR NUR NACHTS ODER WAS STECKT HINTER EUREM BUCHTITEL?
»Coup de pied à la lune» bedeutet im französischen Volksmund »Auerbachsalto» (ein vorwärts gesprungener Rückwärtssalto). Ein langsam gedrehter und ausgestylter Auerbachsalto (überstreckt und in bananenförmiger Haltung) verkörpert die Freiheit, die Schönheit und die Natürlichkeit, die unser Buch vermitteln will.
WIE VIEL ZEIT UND GELD HABT IHR IN »PIED À LA LUNE» GESTECKT?
Wir haben 4 – 5 Jahre gebraucht, um den Guide fertigzustellen. Gekostet hat vor allem der Druck: pro Auflage ca. 30.000 CHF. Die Grafikarbeiten haben unsere Kumpels von eyeloveyou.ch für wenig Geld ausgeführt, weil sie große Freude an unserem Projekt hatten. Alle Ausgaben haben wir mittlerweile wieder zurückbekommen, aber einen Lohn haben wir uns nie ausbezahlt. Ein klassisches Goodwill-Projekt also.

WIE SCHNELL STAND FÜR EUCH FEST: DAS WIRD EIN GEDRUCKTES BUCH UND KEIN BLOG?
Es geht bei unserem Buch nicht nur um Information, sondern auch um ein optisch ansprechendes Produkt, das man immer wieder gerne zur Hand nimmt, um darin rumzublättern. Diese Dinge haben wir mit den Designern genau angeschaut – Format, Schrift, Papier, Farben – alles hat einen Grund, warum es so ist. Da sind wir keine Kompromisse eingegangen und haben halt mehr Geld in den Druck investiert. »Pied à la lune« ist also nicht nur inhaltlich ein spezieller Reiseführer. Unsere App, auf der man eigene Spots inklusive Bildern hochladen kann, ist eine Ergänzung zum Buch.
DIE MÜHE HAT SICH GELOHNT. EURE ERSTE AUSGABE WAR NACH DREI MONATEN AUSVERKAUFT. WAS SIND DIE GRÖSSTEN ABENTEUER BEIM BUCHMACHEN UND WIE TREU SEID IHR EUREM KONZEPT BEI DER ENTWICKLUNG GEBLIEBEN?
Die erste Ausgabe kam 2008 und die zweite 2009. Ein Konzept hatten wir nur vage. Wir haben permanent daran »rumgebastelt« bis es uns wirklich gefallen hat. Am Anfang bestand die Idee, einen Verlag das Buch rausbringen zu lassen – die hatten aber ihre eigenen Vorstellungen. Das Buch lag uns sehr am Herzen und uns von jemandem sagen zu lassen, wie unser Buch aussehen soll – das wollten wir nicht. Deshalb haben wir alles selbst gemacht und finanziert. Wir sind dann buchstäblich mit dem fertigen Buch von Buchhändler zu Buchhändler gefahren und haben gesagt: »Hey, schaut euch das mal an – können wir das mal in euren Laden stellen und wenn ́s sich nicht verkauft, nehmen wir’s wieder zurück?«
IM BUCH ERHÄLT MAN TIPPS UND TRICKS ZUR SICHERHEIT BEIM SOGENANNTEN »SPLASHDIVING«. GIBT ES GRUNDREGELN, DIE EIN NEULING BEACHTEN SOLLTE? KANN MAN GEZIELT DAFÜR TRAINIEREN ODER SICH DARAUF VORBEREITEN?
In der Natur kann jederzeit das Unvorhergesehene eintreffen. Eine gute Vorbereitung, sich der Gefahren bewusst sein und überlegtes Handeln helfen, das Risiko zu minimieren.

5 Klippenspringerregeln:
1. Je höher, desto gefährlicher
2. Vorbereitung und Training sind obligatorisch
3. Wassertiefen immer überprüfen
4. Strömungen beachten
5. Nie alleine springen
IST »PIED À LA LUNE» HOBBY ODER BERUF?
Hobby. Sich mit Reiseführern über Klippenspringen den Lebensunterhalt zu verdienen, ist leider ein Ding der Unmöglichkeit.
LETZTE FRAGE: BIS WIE VIEL METER HÖHE SPRINGT IHR?
Phil: Mein Maximum liegt bei 24 Metern Höhe in Mostar, Bosnien. Die Kräfte beim Eintauchen sind mir jedoch ab ca. 18 Metern zu groß. Fehler können fatale Folgen haben. Am meisten Spaß macht es mir deshalb so zwischen 8 und 16 Metern.
Tom: Da schaue ich lieber zu! Über 10 Meter wird mir schon unwohl – da habe ich zu viel Respekt vor der Physik. Ich klettere lieber auf Felsen oder Berge (mein anderes Hobby), da ist es mir egal, wenn die Wände mehrere Hundert Meter hoch sind.
Ein Geheim-Spot für mutige Pängster :
FELSENAU UND LAUFENBURG
Das alte Eisenbahnviadukt Felsenau und die neue Zollbrücke Laufenburg lassen sich optimal zu einem »Aargauer Brückenplausch» kombinieren. In Felsenau führt ein Wanderweg entlang der beeindruckenden Eisenkonstruktion des Viadukts. Spektakuläre Schnappschüsse sind garantiert. In Laufenburg springt man direkt vor den Augen der Schweizer und deutschen Grenzwächter. (Im Kanton Aargau ist das Brückenspringen nicht verboten, was jedoch nicht bedeutet, dass gefahrlos von jeder Brücke gesprungen werden kann – im Gegenteil: Höchste Vorsicht und gute Vorbereitung sind erforderlich, da Schwemmholz, Strömungen und ständig wechselnde Bedingungen Gefahren bergen.
C H I L L : in Felsenau und Laufenburg angrenzende Wiesen
H I T S : Felsenau: 8m und 13m (mit 1,5m Gap), Laufenburg: 13m.
S A U B E R K E I T: okay, Rheinwasser teilweise bräunlich.
W A S S E R T E M P E R A T U R : 17 – 23°C (Juni bis September)
S E C U R I T Y – I N F O S : Gemäß Kantonspolizei existiert kein Verbot. Falls die Polizei ausrücken und gar eine Suche starten muss, werden die Kosten jedoch in Rechnung gestellt. Die Polizei empfiehlt deshalb eine Ankündigung (+41(0)62 835 81 81). Bei Hochwasser nicht springen, Wassertiefen überprüfen, Vorsicht vor Schwemmholz und Booten. Felsenau: Absprungort nach 1/3 Brückenüberquerung, Seite Felsenau. Wassertiefe beträgt höchstens 4 m, nicht hinter Brückenpfeiler springen. Beim Ausstieg aus dem Wasser sind Brutplätze von Wasservögeln zu meiden. Laufenburg: in Brückenmitte springen.
A L T E R N A T I V- A K T I V I T Ä T E N : Kanutouren auf dem Rhein.
R O U T E N P L A N E R:
Ö V : Felsenau: ab Baden Regionalzug Richtung Zurzach bis Koblenz, Bus Richtung Leuggern bis Felsenau Werkhof, 10 min zu Fuß Aare aufwärts bis Bahnviadukt mit integriertem Wanderweg. Laufenburg:
SBB (Interregio Basel-Zürich) bis Stein-Säckingen, Regionalzug S1 (Basel-Laufenburg) bis Laufenburg, 10 min zu Fuß auf Hauptstraße rheinaufwärts bis zur Abzweigung nach Deutschland.
A U T O : Felsenau: A1 bis Baden, Beschilderung nach Koblenz folgen, kurz vor Koblenz links Richtung Basel, nach Brücke links 500 m flussaufwärts parken, Wanderweg über Viadukt. Laufenburg: A3 bis Eiken, Beschilderung nach Laufenburg/Zürich folgen, Laufenburg durchqueren, nach Dorfausfahrt folgt Kreisel zur Zollbrücke, am Straßenrand parken.
Z U S A M M E N F A S S U N G: + Brückensprünge // – wenige »Chillmöglichkeiten«
Der Rest steht hier:


P H I L I P P S P A L E (32, Unisport-Lehrer) und T H O M A S H Ä G L E R (29, Radio- und Fernsehredakteur) wohnen zwar beide in der Stadt, flüchten aber regelmäßig in die Natur und verbringen ihre Freizeit an heimischen Flüssen und Seen. Einfach nur planschen reicht den beiden nicht: Sie springen von Klippen, Brücken und Mauern in die Tiefe. Ihre Erfahrungen dazu haben sie gesammelt und »Pied à la lune – Strand- und Klippenführer der Schweiz« herausgebracht. Das wunderschöne Taschenbuch kennt Spots wie alte Eisenbahnbrücken und steile Felsen ebenso wie lauschige Sand- und Steinstrände. Neben den praktischen Tipps und spektakulären Bildern lockt es mit nützlichen Anfahrtswegen und einer Karte zum Herausnehmen.(www.piedalalune.ch)
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