TEXT Philipp Schröder ILLUSTRATION Oliver Dermann
Durchmischtes Gesindel lag auf dem Sofa vor dem Fernseher, der Kamin loderte noch leicht. Manch eines der Gesichter lag tief im Traum in die Schafpelze gesunken, die als Polster und als Deko der Kaminecke dienten. 30° betrug der Winkel der Jalousie. Zufällig schien an diesem Spätherbsttag die Sonne genau auf die Fernbedienung des Fernsehers. Kalt war es geworden. Dosen, Flaschen nach der Willkür des Abends im Raum verteilt. Der Duft frischen Kaffees der Gaggia-Machine weckte ein paar verstohlene Blicke derer, die da lagen. Sie lechzten nach Wasser und Alkaselsa. Fingerabdrücke zierten die Glastür zum Flur wie ein Kunstwerk, vergangen von den Leuten, die aus diesem Exzess flohen. Überzogen mit Käse, Mayonnaise und Ketchup – so zierten diese von Teufelshand gefertigten Zutaten den Sandwichmaker. Der ihn benutzt hatte – womöglich das Letzte, was er im Stande gewesen zu sein schien.
Nachdem ich mich mit Wasser und Alkasel versorgt hatte und mich breitbeinig auf dem Sofa niederließ, schnappte ich mir die Fernbedienung, die schön vorgewärmt war, schaltete die Glotze an und schaute fern. Die Menschenhaufen ringsherum begannen aufzuwachen, sie saßen da, tranken Alkaselsa oder begannen zu kontern und über den Lauf des vorherigen Abends zu philosophieren.
Nacktes Mädchen, alle Proportionen an der richtigen Stelle, braune Haare, mit einem frechen Grinsen kam ins Wohnzimmer, kullerte die Augen, schnappte sich die Fernbedienung und verschwand.
Ich war gerade aufgewacht, nicht auf dem Sofa, sondern wie gewohnt in meinem Bett. Überraschend schnaufte mir etwas ins Ohr. Meine Hand verschwand unter der Decke und ließ mich vermuten, dass sie der Grund war, dass ich nackt in meinem Bett lag. Ich erhob mich kniend aus dem Bett, schaute aus meinem Dachfenster, das einen Spalt offen stand. Kalte Herbstluft, die vom Nebel angefeuchtet war, strömte auf meine Haut. In der Ferne das Relief der Alpen. Die Taschenlampe lag unsanft geöffnet verteilt hinter dem Bett in der Gesellschaft von Flusen. Ein großer Schritt und ich war aus dem Bett – blieb mit dem Fuß in einem Fetzen Stoff hängen, der mir nicht gehörte, und fiel. Ein Blick nach unten ließ mich die Zerstörung des Abends erblicken. Sämtliche elektronischen Geräte, die ich besaß, aufgeschraubt, wild, wie nach einer Explosion verteilt in meinem Zimmer. Mein Kater erlaubte es mir nicht, einen Gedanken daran zu verschwenden. Ferngesteuert ging ich ins Bad und griff intuitiv nach meiner Zahnbürste. Auch sie war ein Opfer des Abends.
Nacktes Mädchen, alle Proportionen an der richtigen Stelle, braune Haare, mit einem frechen Grinsen kam ins Wohnzimmer, kullerte die Augen, schnappte sich die Fernbedienung und verschwand. Das Gelächter und einige Pfiffe zog sie nach sich. Verschwunden war sie nicht nur aus dem Wohnzimmer. Ich rannte hoch zu meinem Bett. Leer. Nur die Fernbedienung ohne Batterien. Sie war es doch gewesen. Maria!
Der Tag verstrich, die WG leerte sich. Ich suchte vergeblich nach Batterien, um die Fernbedienung wieder in Betrieb zu nehmen. Aber alle AA-Batterien waren verschwunden oder lagen leer auf dem Boden, zurück blieb ich ohne Batterien, ohne Erinnerung an die Nacht.
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