TEXT Miriam Suter ILLUSTRATION Fine Heininger

Ob man mit dem Liebsten zusammenziehen will, sollte man sich sehr gut überlegen. Vor allem, wenn man vorher nicht in WGs, sondern eineinhalb Jahre alleine gewohnt hat. Und wenn die Wohnung des anderen einen Katzensprung von der eigenen entfernt ist. »Ist doch eigentlich perfekt so!« hörten wir uns oft sagen. »Jeder hat seine eigene Wohnung, wir können alleine sein, wenn wir wollen, aber auch spontan die Nacht zusammen verbringen. Am besten lassen wir’s einfach so.« Trotzdem wurden im Kopf die Vor- und Nachteile des Zusammenlebens aufgelistet. Wir würden Geld beim Essen sparen und bei allen anderen Haushaltsmitteln, wir würden jeden Tag zusammen aufwachen, könnten jeden Abend zusammen kochen – und vor allem: Wir würden ziemlich sicher weniger Miete bezahlen. Die anfängliche Überzeugung fürs Alleine-Wohnen wurde nach und nach relativiert. »Okay, okay, also wenn wir wirklich zusammenziehen, dann muss uns die Wohnung so richtig wegflashen. Wir müssen reinkommen und wissen, dass wir hier zusammen wohnen wollen!«

Dass das so bald nicht eintreffen würde, war immer im Hinterkopf. Damals haben wir aber nicht mit der schönsten Wohnung der Stadt gerechnet. Mit altem Fischgrätparkett, hohen Räumen, ein richtig schöner Altbau halt. Das Ganze bezahlbar und mitten in der Altstadt. Die weit aufgerissenen Augen und zusammengepressten Lippen vor Freude sagten alles – wir wollen, brauchen diese Wohnung. Ein paar Tage später, der leidenschaftliche Einsatz von charmanten E-Mails und das Mobilisieren von jeglichen Drittpersonen, die ein gutes Wort für uns einlegen, zeigte Wirkung, wir konnten einen Monat später einziehen. Und siehe da: Wir kochen nicht jeden Abend zusammen, schlafen nicht jede Nacht zusammen ein, zumindest nicht gleichzeitig, und haben plötzlich mehr Freiraum als vorher. Einerseits weil die Wohnung riesig ist, andererseits weil Zusammenwohnen plötzlich nicht mehr voraussetzt, das kostbare Wochenende unbedingt mit dem anderen verbringen zu müssen. Damit‘s aber auch wirklich reibungslos funktioniert, sollte man sich an einige Regeln halten.
REGELN
I Teilt Euch die Hausarbeit auf. Jemand putzt zum Beispiel das Bad, dafür kümmert sich der andere um den Abwasch. Verkneift Euch aber Sprüche wie: »Das soll ein sauberes Bad sein?« Oder: »Mann, da liegt schon seit gestern Nachmittag eine dreckige Gabel im Schüttstein!«
II Lasst Euch Freiraum, so dass jeder trotz Zusammenwohnens noch seinem »secret single behaviour« nachgehen kann. Etwa sonntags eine Stunde lang Kosmetik-Youtube-Videos anschauen und dabei seine Nägel lackieren. Oder Film-Noir-DVDs schauen und dazu selbst gedrehte Zigaretten rauchen. Und zwar ohne den anderen.

III Verpackt Kritik in nette Worte: »Es wäre echt cool, wenn du deine Tasche nicht immer neben der Haustür stehen lassen würdest. Letztens bin ich da fast drüber gestolpert. Dafür gewöhn ich mir das mit dem Klodeckel an …«
IV Hört weiterhin Eure Musik, aber akzeptiert die Eskapaden des anderen. Ich mag Hippiemusik und Lady Gaga, er Jeffrey Lee Pierce und Django Reinhard. Größtenteils mögen wir die gleichen Sachen (sonst wären wir kaum zusammen), aber nach der zehnten Umdrehung von Fleetwood Macs »Rumors« hat er dann auch mal genug. Und verlässt den Raum. As simple as that.
V Werdet nicht zu Kontrollfreaks. Wenn der andere eine Stunde später als gewohnt heimkommt, ist das kein Drama. Eine kurze SMS, wenn‘s wirklich später wird, ist aber angebracht.
VI Macht hart Party und genießst das Leben. Das Vortrinken zu Hause mit Freunden oder der gemütliche Kaffee im Wohnzimmer am Sonntag mit den besten Freundinnen darf weiterhin bestehen. Aber nehmt Rücksicht. Warnt den anderen vor, dass gleich fünf trinkfreudige Jungs oder zwei gackernde Mädchen in der Wohnung sein werden, damit der andere vorbereitet ist.
DREI SONGS FÜR …

… den Tag des Umzugs
»Deceptacon« von Le Tigre
»I’m Gonna Be (500 Miles)« von The Proclaimers »Paper Planes« von M.I.A.
… das Einräumen der Wohnung
»Lust for Life« von Girls
»Go Outside« von Cults
»The Only Place« von Best Coast
… den ersten Abend in der gemeinsamen Wohnung
»Home« von Edward Sharpe and the Magnetic Zeros
»Our House« von Crosby, Stills, Nash and Young
»Stranger« von The Kinks
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